Kapelle der Crona-Kliniken Bild: Georg Gebhard

2016 – Das Jahr der Barmherzigkeit
von Georg Gebhard

„Da hat sich eine Tür geöffnet“, so kann man sagen, wenn man in scheinbar aussichtsloser Lage doch noch eine Lösung gefunden hat und sich einem neue Perspektiven aufgetan haben. Oder man kann umgekehrt, wenn man sich z.B. vom Leben ausgeschlossen fühlt, den Eindruck haben, man stehe draußen, „draußen vor der Tür“ , um mit den Worten des deutschen Nachkriegsschriftstellers Wolfgang Borchert zu sprechen, dessen Hauptwerk diesen Titel trägt.
 
Die Tür ist ein starkes Symbol und als ein solches darf man es auch verstehen, dass Papst Franziskus am Dienstag, den 8. Dezember des vergangenen Jahres die zwei Flügeltüren der ansonsten zugemauerten Heiligen Pforte in Rom geöffnet und ein außerordentliches „Heiliges Jahr“ ausgerufen hat, das Jahr der Barmherzigkeit. Bis zum Christkönigssonntag, dem 20. November 2016 bleibt diese Pforte geöffnet, bevor dann mit dem 1. Advent eine Woche später nach kirchlicher Zählweise das nächste Jahr beginnt.
 
„Wir müssen die Barmherzigkeit dem Gericht voranstellen.“ Das Gericht Gottes müsse immer „im Licht der Barmherzigkeit stehen“. Andernfalls tue man Gott und seiner Gnade Unrecht, so sagte Papst Franziskus bei der Eröffnung.
 
Wenn man den biblischen Begriff für Barmherzigkeit ins Deutsche übersetzt, heißt die wörtliche Übersetzung „Mutterschößigkeit“. Das kann man verstehen als eine ganz innige Verbindung zwischen Gott und Mensch und ein vorbehaltloses Ja Gottes zu jedem Menschen, ganz unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion, gesellschaftlicher Stellung usw. Selbst dann noch gilt dieses vorbehaltlose Ja Gottes zum Menschen, wenn dieser Schuld auf sich geladen hat und auf krummen Wegen unterwegs ist. Ein christliches Bekenntnis darf, wie der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, betont, nie zur Ausgrenzung anderer Menschen missbraucht werden: „Die Identität des Christen ist nie gegen jemanden gerichtet – sie ist gegen Hass, gegen Krieg, gegen Unterdrückung, gegen Ausgrenzung gerichtet, aber nie gegen Menschen.“
 
Das Jahr der Barmherzigkeit kann eine Einladung sein, symbolisch diese offene Tür zu durchschreiten und einzutreten in den Raum, in dem dieses vorbehaltlose Ja gilt - und bei allem, was persönlich, gesellschaftlich und politisch zu klären ist, die Barmherzigkeit Gottes nicht zu vergessen.
 
Jesus hat gesagt: „Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.“ (Joh 10,9)
 
 
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Pastoralreferent
Georg Gebhard (kath.)